Freitag, 30. September 2011

Vortragsreihe "Zwischenstationen für die Bahnhofsvorstadt" im Oktober 2011 in der Glasbox


Zwischenstationen für die Bahnhofsvorstadt
Vierteilige Vortragsreihe im Oktober 2011


Die Bremer Bahnhofsvorstadt bildet den räumlichen Übergang von der historischen Innenstadt zur Stadt im Zeitalter der Industrialisierung, die über die ehemaligen Befestigungsanlagen – heute die Wallanlagen – hinaus gewachsen ist. Mit dem Bahnhof und der Hochstraße am Breitenweg wird sie heute als Transitraum und zugleich Zugangsraum zur Stadt geprägt.

Die Bahnhofsvorstadt ist dabei auch ein Ort der Gegensätze und der sozialen als auch ökonomischen Probleme. Der Wandel von Einkaufsgewohnheiten und veränderte Ansprüche an Büroräume. Die Nähe zum Milieu entlang der Diskomeile wirkt sich zudem negativ auf das Image der Bahnhofsvorstadt aus.

Für diesen Raum eröffnen sich aber auch verschiedene neue Perspektiven, der Umbau von Büroflächen zu neuen Nutzungsarten, die Zwischennutzung von Leerständen durch Nutzer_innen mit neuartigen Nutzungskonzepten und die Einbeziehung in die innerstädtische Stadtentwicklung machen die Bahnhofsvorstadt für ein Klientel interessant, dass dieses Quartier bisher nur als Transitraum nutzt.

Mit der Veranstaltungsreihe „Zwischenstationen für die Bahnhofsvorstadt“ präsentiert die ZwischenZeitZentrale Bremen Erfahrungsberichte und Perspektiven für die Bahnhofsvorstadt. Präsentiert werden die Vorträge in der Glasbox am ehemaligen Siemenshochhaus, einer laufenden Zwischennutzung zum Anfassen.



Am Dienstag, den 18. Oktober 2011 gibt es, nach einer Key Note von Frau Eva Herr vom Senator für Umwelt, Bau und Verkehr, eine Übersicht über Zwischennutzungen in Bremen und die laufenden und geplanten Aktivitäten der ZwischenZeitZentrale Bremen in der Bahnhofsvorstadt.
Http://www.zzz-bremen.de


Am Donnerstag, den 20. Oktober 2011 hält Carsten Venus von Blauraum Architekten Hamburg einen Vortrag über das Redevelopment von Bürohäusern. Bürobestände der 50er und 60er Jahre sind zunehmend von Leerstände betroffen. Bauliche Mängel, veränderte Anforderungen aber insbesondere

die Konkurrenz durch neue Bürostandorte entziehen ihnen ihre bisherige Nutzung. In seinem Vortrag über das Redelopment von Bürohäusern wird Carsten Venus anhand von harten Zahlen
aus eigenen Forschungen und praktischen Erfahrungen mit Immobilieneigentümer_innen aufzeigen, welche ökonomischen und praktischen Gründe eine Umnutzung beeinflussen.
Http://www.blauraum.eu


Am Donnerstag, den 27. Oktober 2011 wird Felix Nowak von bb22 in Frankfurt Erfahrungen aus dem Frankfurter Bahnhofsviertel mitbringen. Das Frankfurter Bahnhofsviertel ist ob seiner Drogen- und Rotlichszene, sozialer und städtebaulicher Probleme berühmt-berüchtigt. Als „no-go Area“ verschrien, haben sich hier in den vergangenen Jahren verschiedene Ansätze auf sozialer und städtebaulicher Ebene entwickelt. Felix Nowak wird Beispiele aus seiner Praxis im Frankfurter Bahnhofsviertel sowie die Leitlinien städtischer Planung in diesem Quartier darlegen.
http://bb22.net/


Am Montag, den 31. Oktober 2011 kommen Judith Hartnack, Virginia Schultheis und Jürgen Zeller von AT JUJUGI aus Frankfurt am Main nach Bremen. Mit einem kleinen, mobilen "Souvenirladen" gaben sie in den Spätsommermonaten 2009 dem Bahnhofvorplatz in Frankfurt 3 Monate lang einen neuen Inhalt – Souvenir Frankfurt. Eine Überseekiste voll gepackt mit zeitgenössischen Andenken. Auf Grund der großen Resonanz wurde das Projekt weiterentwickelt. In einer vergessenen Passage im Bahnhofsviertel zwischen Samosas, afghanischen Schneidern, afrikanische Haarkämmen und viel Leerstand wurde ein Ladenlokal für eine Zwischennutzung angemietet. Im Frühsommer 2011 ergab sich bei der Suche nach neuen Leerständen die Möglichkeit eine Ladenfläche in der Innenstadt mit 5x soviel Fläche zwischen zu nutzen. Die Eigentümer des Einkaufszentrums erkannten die Kraft von kreativen Projekten…
http://www.souvenir-frankfurt.de


Alle Vorträge beginnen gegen 19:30Uhr in der Glasbox am ehemaligen Siemenshochhaus, Contrescarpe 73, 28195 Bremen. Die Veranstaltungen sind kostenfrei, im Anschluss wird es jeweils die Möglichkeit zur Diskussion geben.
Http://www.glasbox.blogspot.com
http://www.zzz-bremen.de/glasbox-kreativ-innovativ-interdisziplin-r

Eine Veranstaltungsreihe des AAA und der ZZZ in Kooperation mit der RLI Bremen.


Dienstag, 20. September 2011

Urbaner Spaziergang "Grünschattenwirtschaft - Entdeckungsreise durch die Civita Incognita" am 16.10.2011 um 14Uhr

Hinter der Duckwitzstraße endet die Stadt. Diese Wahrnehmung überkommt einen, wenn man sich von der Neuenlander Straße hierher begibt. Gewerbebauten, Produktionsanlagen und Verkehrsstränge schnüren hier den freien Blick ein. Vielen Nutzungen haftet der Eindruck des Provisorischen, wenn nicht sogar des Illegalen an. Brombeerdickichte ergänzen und füllen die Lücken zwischen den allgegenwärtigen Zäunen.

Erst ein Blick hinter diese Dickichte offenbart eine ganz andere Welt: In einem neuen, künstlichen Bett fließt die Ochtum durch eine feine Parklandschaft.

Die Ecken und Randgebiete einer Stadt mit ihren unwirtlichen Orten bilden das Ziel unseres dritten Urbanen Ökostadtspaziergangs. Wir bewegen uns in den gefühlten Schatten einer Stadt. Sie sind Zonen geringer

Aufmerksamkeit und nachlässiger Pflege, werden kaum wahrgenommen und ungern besucht. Manche Nutzungen können sich deshalb nur hier ansiedeln. Entlang der Ochtum, zwischen Bahnstrecke und Hochstraße, hinter Industrie und Autobahn, hat sich ein Gebiet entwickelt, das sich auch als eine grüne Oase anderer Art interpretieren lässt.


Der Urbane Spaziergang ist kostenlos.


Mit freundlicher Unterstützung des Senator für Umwelt, Bau, Verkehr in enger Kooperation mit ÖkoStadt-Bremen e.V.

AAA Autonomes Architektur Atelier in Bremen
Titel: Daniel Schnier und Oliver Hasemann, Text: Oliver Hasemann, Gestaltung und Fotografien: Daniel Schnier

Montag, 19. September 2011

Dokumentation und Resumée "Natur Mischen - Buntes Grün als Patchwork" vom 11.09.2011







Bei schönstem Sonnenwetter begaben wir uns auf unseren zweiten Urbanen Ökostadtspaziergang 2011. Von der Baustelle rund um den Waller Bahnhof führte uns unser Weg durch Nebenstraßen und Tunnel in das Waller Dort, nicht ohne vorher Waldau-Theater und Blaumeier-Atelier einen Besuch abgestattet zu haben. Binnen weniger Momente ließen wir den Lärm der Stadt hinter uns und nach einem rasanten Ritt durch den Mäusetunnel befanden wir uns dann auch endgültig im Grünen. Nur der gelegentliche Blick auf städtische Monumente oder der Lärm vorbeifahrender Güterzüge ließen erahnen, dass wir uns noch inmitten der Stadt befanden.

Direkt am Beginn der Kleingartenanlagen entlang des Waller Fleets machten wir einen Zwischenstop bei den Internationalen Gärten Walle. Auf dem Areal mehrerer Parzellen ist hier ein offenes Angebot für Waller_innen sich nach Vorbild der Bewegung interkulturelle Gärten gemeinsam und über kulturelle Grenzen hinweg Beete anzulegen und miteinander zu pflegen, zu ernten und zu genießen und vor allem viel voneinander zu lernen. Mit großem Überschwang wurden wir dann auch begrüßt und bekamen die verschiedenen exotischen heimischen Gemüse und Feldfrüchte präsentiert. Eine kurze Führung zu den vorhandenen Erweiterungsflächen zeigte deutlich auf: weitere Mitgärtner_innen sind gerne willkommen.

Entlang des Waller Fleets fuhren wir anschließend immer weiter in die Waller Feldmark. In direkter Abfolge passieren wir intensiv und akkurat gepflegte Gartenparzellen, pittoreske Kaisenhäuschen, aber auch immer wieder leerstehende oder schon ganz abgeräumte Parzellenhäuschen. Nach und nach schwinden die letzten Kaisenhäuschen, die nach dem Krieg noch vielen tausenden Bremerinnen ein Dach über dem Kopf geboten hatten. Das Wohnrecht auf der Parzelle ist an die Bewohnerinnen geknüpft, ziehen sie aus oder sterben sie, erlischt es. Danach bleibt der Rückbau oder der Abriss. Schon hat sich ein Kaisenhausmuseum gegründet, das dieses Zeitzeugnis über die nächsten Generation retten möchte. Aber nicht nur die Kaisenhäuschen werden weniger, auch generell sinkt die Anzahl der genutzten Parzellen.

An dieser Situation entsponn sich eine intensive Diskussion darüber, ob und wie es eine Chance gibt, dass die Parzellen wieder vermehrt genutzt werden. Vielfach wurden sie angelegt, um den ärmeren Bremerinnen die Selbstversorgung zu ermöglichen, mit wachsendem Wohlstand aber auch relativ niedrigen Lebensmittelpreisen fiel diese Notwendigkeit weg. Mit dem Rückgang der Kleingärtnertätigkeit ging aber auch viel an Fachwissen verloren, die Entfremdung zur Lebensmittelerzeugung wuchs und wächst. Ein Potential für die Kleingärten liegt somit im wachsenden Interesse an Lebensmittelautonomie oder zumindest dem Wunsch, von einem Teil seiner Lebensmittel zu wissen, wie und wo sie entstanden sind.

Was mit Parzellen geschehen kann, entdeckten wir auf unserem Rückweg von den Müllbergen als einer Begrenzung des Parzellengebiets. Im Gewerbegebiet Bayernstraße haben sich Gewerbebauten in ehemalige Kleingartenanlagen gefressen. An einer Stelle stoppten allerdings hartnäckige Parzelleneigentümer das Voranschreiten, so dass sich uns das skurille Bild kleiner Häuschen in einem Meer aus Sand bot. An anderer Stelle, im Technologie Park oder dem Weidedamm, sind hingegen Parzellengebiete der sich ausdehnenden Stadt gewichen. Ob Urban oder auch Guerilla Gardening diesem Wachstum der Stadt ein Wachstum der Grünflächen entgegensetzen können, blieb ersteinmal unbeantwortet.

Unter dem Utbremer Kreisel gingen wir auseinander, nicht ohne auf den kommenden Urbanen Spaziergang (diesmal auch wieder zu Fuß) am Sonntag, den 16. Oktober 2011 zu verweisen. Er lautet "Grünschattenwirtschaft - Entdeckungsreise durch die Civita Incognita". Treffpunkt ist die BSAG Haltestelle "Duckwitzstr./Richard-Dunkel-Str." in 28199 Bremen.

Bilder: Daniel Schnier Text: Oliver Hasemann

Freitag, 16. September 2011

Weser Kurier, 15.09.2011

Walle, ganz natürlich

Von Anke Velten

Walle. Üblicherweise beschäftigen sich Architekten mit bebautem oder zu bebauendem Grund und Boden. Bei der Fahrradtour, zu der das "Autonome Architektur Atelier" am vergangenen Sonntag eingeladen hatte, ging es allerdings um Orte, die tunlichst nicht zugebaut werden sollen. Das "bunte Grün" in der Stadt wollten sich die rund dreißig Teilnehmerinnen und Teilnehmer einmal näher anschauen. Und dazu hatten die Organisatoren ausgerechnet nach Walle eingeladen - einem Stadtteil, mit dem Uneingeweihte nicht sofort seine Grünflächen verbinden.

Große Distanzen musste dabei niemand zurücklegen, denn die Natur liegt in Walle in Reichweite. Wenige Fahrradminuten vom Treffpunkt Bahnhof, ein kurzes Stück entlang des Grünzuges West, eine kleine Reminiszenz: Genau hier, erklärten die Reiseleiter Daniel Schnier und Oliver Hasemann, habe sich einst die Urzelle des Stadtteils befunden - das Dorf Walle, das 1139 erstmals urkundlich erwähnt wurde und das noch Anfang des 19. Jahrhunderts kaum 500 Einwohner hatte. Erkennbar sei der dörfliche Ursprung bis heute an den gewachsenen Wegzügen, die sich von den späteren schnurgeraden Planstraßen optisch unterscheiden, erklärten die Architekten.

Ein wenig abseits, hinter einer niedrigen Bahnunterführung, konnte sich die Truppe von Neugierigen dann in echtes Landleben versetzt fühlen. Am Rande der Waller Feldmark ging es durch einen schmalen Feldweg mit alten, duftenden Obstbäumen und hohen Sträuchern, zu einem Besuch in den "Internationalen Gärten Walle". Unter diesem Titel hat im April dieses Jahres ein Projekt begonnen, das sich der Völkerverständigung verschrieben hat. Auf einem Areal von fast 3000 Quadratmetern können dort Menschen verschiedenster Nationen und Kulturen ganz natürlich in Kontakt kommen, ihre Freizeit miteinander verbringen und die Früchte ihrer Arbeit ernten. Das tat am Sonntagnachmittag zum Beispiel Shahla Langroudi, die sich um ihre Auberginen und Zucchini kümmerte, Kräuter, Bohnen und Chilischoten erntete.

Bunte internationale Mischung

Rund fünfzig Vereinsmitglieder haben sich für die "Internationalen Gärten" zusammengeschlossen, erzählte Vereinsmitglied Christiane Keller, darunter Menschen aus Tunesien, Algerien, dem Iran, aus Indien, Kolumbien und Vietnam; etwa die Hälfte davon packen aktiv zu. Wer hier eine kosmopolitische Gartenschau erwartet, muss noch etwas Geduld haben: Auf dem über Jahrzehnte verwilderten Gelände gibt es für die Gärtnerinnen und Gärtner noch viel zu tun. Doch noch wichtiger als der hortikulturelle Ehrgeiz ist hier das Miteinander. Als eines der sichtbaren Symbole präsentierte Shahla Langroudi einen kleinen Pfirsichbaum namens "Hussein", der erst vor ein paar Tagen gepflanzt wurde: Er ist ein Zeichen dafür, wie sehr sich die Gemeinschaft darüber freute, dass der Asylantrag eines ihrer Mitglieder positiv beschieden wurde, erzählt sie.

Dass Stadtmenschen sich ungenutzter Grünflächen annehmen und so selbst die Stadt mitgestalten, das ist ein Zeichen der Zeit, und eine Bewegung, die in den USA als "urban gardening" ihren Anfang nahm, wie Oliver Hasemann erklärte. Sie habe auch einen pädagogischen Mehrwert: Es sei eine Tatsache, dass immer weniger Stadtkinder aus eigener Erfahrung wissen, wie Obst und Gemüse angebaut werden. Das konnte Teilnehmer Rainer Weisel bestätigen: Er beackert eine Parzelle an der Ochtum, und in der Nachbarschaft gibt es einige ganz junge Parzellisten. "Bei Studierenden ist das wieder sehr beliebt", kann er berichten. Doch die jungen Leute müssen sich mit der Gartenarbeit erst vertraut machen: "Viele haben nie gelernt, wie man mit Saatgut umgeht oder wann sie ihre Früchte ernten müssen."

Die Stückchen Land, die die Stadtbewohner einst beackern durften, um ihre Not zu lindern, sind nicht mehr so gefragt: Gerade in der Waller Feldmark stehen viele Parzellen leer. Vor einigen Jahren war das noch ganz anders, wusste Peter Brodersen zu erzählen: "Da gab es hier viele türkische Familien, die auf den Parzellen ihre Lebensmittel anbauten, wie sie es in der Heimat gekannt und gelernt hatten." Die nachwachsende Generation an Stadtbewohnern allerdings kaufe ihr Obst und Gemüse ein. "Da geht viel Wissen verloren", sagte der Bremer.

Überhaupt keinen Anlass, seine Parzelle am Waller Fleet aufzugeben, sieht dagegen Dietmar Wedemeyer. Er lebt seit 1953 in einem "Kaisen-Haus" und darf das auch bis zum Ende seiner Tage, berichtete er der Fahrradgruppe. Was "Kaisen-Häuser" sind und wie die Stadt den Umgang mit ihren Bewohnern geregelt hat, dazu gab es vor Ort eine kleine Einführung.

Mit besonderem Interesse hörte ein junges Pärchen zu, das erst vor Kurzem aus Dresden in die Bremer Neustadt gezogen war. Die Stadtspaziergänge seien "eine tolle Art, Bremen besser kennenzulernen", fanden sie. Rainer Weisel gehört sogar zur Stammkundschaft der Veranstaltungen: Er habe ein großes Interesse an Stadtsoziologie, erklärte er, und "die beiden sind so erfrischend authentisch".

Die beiden sind die Bremer Architekten Oliver Hasemann und Daniel Schnier, die seit vier Jahren in Kooperation mit dem Verein "ÖkoStadt Bremen" dreimal pro Jahr und zu völlig unterschiedlichen Themen ihre urbanen Spaziergänge anbieten. Ihre kurzweiligen Spaziergänge ziehen nicht nur ein Fachpublikum aus Architekten und Stadtplanern an, sondern auch viele Laien mit Interesse an der Geschichte, Gegenwart und Zukunft ihrer Stadt.

Der nächste "Urbane Spaziergang" wird im Oktober an die Ochtum führen. Der genaue Termin und weitere Informationen finden sich auf den beiden Internet-Seiten www.aaa-bremen.de und www.oekostadt-bremen.de.


© Copyright Bremer Tageszeitungen AG Ausgabe: Weser Kurier Stadtteilkurier West, Seite: 3 Datum: 15.09.2011, Bericht von Anke Velten, Fotografie von Walter Gerbracht

Montag, 5. September 2011

Urbane Spaziergangsfahrt "Natur Mischen - Buntes Grün als Patchwork" am 11. September 2011 um 14Uhr


Die Grenzen zwischen Stadt und Land verlaufen in Walle fließend. Kaum 100 Meter hinter dem Waller Bahnhof und in Hörweite der Waller Heerstraße, findet man sich schon im Waller Dorf. Die Stadt verliert sich hier in freistehenden Häusern und alten Bauernhöfen, auf landwirtschaftlichen Wegen gelangt man von hier überaus schnell in den Parzellengürtel, der sich zwischen Walle und der Autobahn erstreckt. Die parzellierte Natur dient den Anwohner_innen als Rückzugs- und Versorgungsraum, der sich im weiteren in den offenen Fluren des Blocklandes verliert.

Auf unserem zweiten Urbanen Ökostadtspaziergang bewegen wir uns durch ein „klassisches“ Grüngebiet. Vom Menschen geplante und gepflegte Grünflächen und Gärten spiegeln als attraktiv wahrgenommenes Grün wider. Verlockend ist der wahrnehmbare Kontrast am Übergang zur ungepflegten, wilden Natur, die sich in verlassenen Parzellen wieder ihren Weg bahnt und die geordnete Idylle überwuchert. Im Umgang und den Konflikten in diesen Gebieten des Kontrollverlustes lässt sich unsere Definition von Natur erkennen.

Auch dieser Spaziergang ist eine Spazierfahrt mit dem Fahrrad.

Mit freundlicher Unterstützung des Senator für Umwelt, Bau, Verkehr in enger Kooperation mit ÖkoStadt-Bremen e.V.

AAA Autonomes Architektur Atelier in Bremen
Titel: Daniel Schnier und Oliver Hasemann, Text: Oliver Hasemann, Gestaltung und Fotografien: Daniel Schnier

Resumee und Dokumentation "Industrie Parken" vom 21.08.2011

Altes Eisen und junge Triebe
Eine Urbane Spazierfahrt


Zur ersten Urbanen Spazierfahrt des Autonomen Architektur Ateliers fanden sich am Sonntagnachmittag, den 21.08.2011 über 40 Teilnehmer_innen samt Fahrrad vor dem Lichthaus ein.
Von dort aus ging es zunächst über den weitläufigen Parkplatz des ehemaligen Space Parks und heutigen Shopping Centers Waterfront, wo das nahezu extraterrestrisch anmutende Leben in Form zarter Pflanzen, die sich durch blau schimmernde Glasdekoration wagen, bewundert werden konnte.

Thematisch drehte es sich an diesem Nachmittag um allerlei Grün, welches sich sogar in eher untypischen Umgebungen, wie im Industrie-, und Hafengebiet seine Wege bahnt, ob nun ganz aus eigener Kraft oder mit Unterstützung der Menschen, indem Flächen bepflanzt und gepflegt werden.
In einigen Fällen entsteht auch eine seltsame Koexistenz von Industrie und Grün, etwas dann, wenn für überbaute oder versiegelte Flächen, zum Beispiel für die bereits angelegten, aber wenig genutzten Straßen des „Bremer Industrieparks“, so genannte Ausgleichsmaßnahmen geschaffen werden müssen. Flächen mit einer vergleichbaren Einstufung auf einer Skala zur Bewertung der Natur, die aber auch kilometerweit von dem bebauten Gebiet entfernt liegen können.

Von der Kulisse des Einkaufszentrums, die durch die alten Speicher und Kräne im Hintergrund einen interessanten Kontrast erhält, wurde weiter geradelt, zunächst in Richtung des ehemaligen U-Boot Schutzbunkers „Hornisse“.
Der massive Stahlbetonbau aus dem zweiten Weltkrieg diente bereits mehrmals als Filmkulisse und wird zur Zeit von einigen Möwen bewohnt, die sich von der dunklen und bedrohlich wirkenden Atmosphäre anscheinend nicht abschrecken lassen.
Auf der gegenüberliegenden Seite konnte man einen kurzen Blick auf eine dort gelandete Rakete des ehemaligen Space Parks erhaschen.

Am Ende der Kap Horn Straße, vor der Schleuse, konnte rechter Hand das 1957 erbaute Kohlekraftwerk mit dem höchsten Gebäude Norddeutschlands, dem 256m hohen Kamin, betrachtet werden. Links ergab sich ein unverbauter Blick auf das Klärwerk.
Es entspann sich eine rege Diskussion über den thermischen Wirkungsgrad verschiedener Brennstoffe und den Fakt, dass ein Großteil der im Kraftwerk entstehenden Wärme in die Weser entweicht und nur wenig der Abwärme ins Fernwärmenetz eingespeist wird.

Von hier aus führte der Weg weiter, vorbei an Schrottbergen, Atelierhäusern , Getreidespeichern, die in sonntagnachmittäglicher Stille vor sich hinschlummerten und schließlich über das Gelände des leerstehenden Gebäudes der früheren Stahlwerke- Verwaltung.
Hier findet man sich auf einem langsam zuwachsenden Parkplatz wieder, der von einzelnen, immer mehr verwitternden Überbleibseln der ehemaligen Nutzung, wie Papierkörben und Lampenmasten eingerahmt wird, wodurch die Verlassenheit dieses Ortes noch deutlicher in den Vordergrund rückt.
Der letzte Stop auf der Spazierfahrt war der schon erwähnte Industriepark, eine große Gewerbefläche, die in ferner Zukunft auch an die Autobahn angebunden werden soll. Für dieses Vorhaben mussten auch schon diverse Einfamilienhäuser dem geplanten wirtschaftlichen Aufschwung weichen.
Die Bezeichnung „Industriepark“ enthält zwei Aspekte, die sich eigentlich nicht fremder sein könnten. Das große, komplett an die Infrastruktur der Stadt angebundene und erschlossene Areal wird nur zu kleinen Teilen durch Industrie oder Gewerbe genutzt, die restliche Fläche ist mit Grün der unterschiedlichsten Art bewachsen, oder asphaltierte Straße. Viele der angelegten Wege sind schon von kleinen Pflanzen bevölkert und der Bach, der eigens zur Aufnahme des auf den Dachflächen gesammelten Regenwassers angelegt wurde, plätschert leise vor sich hin.
Vor diesem idyllischen Hintergrund endete die Fahrradfahrt und alle Beteiligten machten sich auf den Weg zurück in die Stadt.


Vielen lieben Dank an Florian Samietz für einige der Bilder und Dank an Thorben für die GPS Daten auf google-maps: siehe hier http://maps.google.de/maps?q=http://www.constancy.org/~r00t/Industrie_Parken.kmz
Dank auch an unsere ehemalige Mitarbeiterin Philine Puffer aus Berlin.